9 Vorschläge für einen Wald









Im Rahmen der Landesgartenschau 1995 wurde die Neugestaltung des „Kamper Wäldchens“, eines ebenen, mit Pappeln im Quadratraster bepflanzten Geländes, zu einem Landschaftspark mit einem zugrundeliegenden künstlerischen Gesamtkonzept des schottischen Künstlers Ian Hamilton Finlay beschlossen. Die Gestaltung des Parks selbst orientiert sich hierbei nicht an moderner oder traditioneller Landschaftsarchitektur, sondern es sollte der Eindruck einer vergessenen, verwunschenen Waldparzelle entstehen. Spiritualität, Philosophie, Kunst und Natur können in dieser Waldwildnis zu einer geistigen und emotionalen Einheit verschmelzen. Zusätzlich zur Landschaftsgestaltung machen neun skulpturale Elemente das Gesamtkunstwerk des Parks aus. Die Kunstobjekte veranschaulichen die Ideenwelt Finlays, sie knüpfen gedankliche Bezüge zu historischen Personen und Ereignissen insbesondere aus der Antike und der Zeit der Französischen Revolution und stellen sie in einen Zusammenhang mit dem Naturerlebnis.
Eine mit dem Zitat des französischen Aristokraten Herault de Sechelles (1759–94) versehene Steinbank steht am Wasser des „Erftkolks“: „Gesellschaft heilt Stolz, Einsamkeit heilt Eitelkeit.“ Sie lädt ein, über menschliche Schwächen nachzudenken, aber auch über das Schicksal des Autors, der während der Französischen Revolution der Guillotine zum Opfer fiel.
Eine bronzene Büste von Jean Jacques Rousseau (1712–1778) erinnert an den französischen Naturphilosophen und ist mit seinem Zitat „Der Wald wurde mein Studierzimmer“ beschriftet.
Drei steinerne Pfeiler tragen Bronzeplatten mit Zitaten aus Martin Heideggers (1889–1976) Texten. Der deutsche Philosoph nannte seine Aufsätze „Holzwege“ als Begriff für die selten betretenen, verästelten Wege des Geistes.
Eine aus mehreren Bögen bestehende Holzpergola verändert sich von geometrisch handwerklich bearbeiteten Holzteilen hin zu immer unbearbeiteteren, naturbelassenen Bauteilen und verdeutlicht so den sichtbaren Übergang von Natur zu Kultur.
Auf der Teichmauer an der Wegachse befinden sich zwei Zeilen aus dem Gedicht „Hälfte des Lebens“ von Friedrich Hölderlin (1770–1843). Sie beflügeln die Phantasie des Betrachters, der sich Schwäne auf dem Teich vorstellen mag.
An einer freistehenden Eiche ist eine Schrifttafel angebracht, deren erster Teil vom französischen Dichter Lochac stammt, während der zweite Teil von Finlay hinzugefügt wurde. Zusammen beschäftigen sie sich mit dem „Erhabenen“, das den Naturdarstellungen des Malers Caspar David Friedrich eigen ist.
Ein einfacher Wegweiser gibt die Richtung nach Vincennes an, das heute ein Vorort von Paris ist, hier aber für einen Wendepunkt im Leben des Philosophen Rousseau steht. Dieser legte auf dem Weg nach Vincennes, wo er seinen gefangenen Freund Diderot besuchen wollte, eine Pause ein und las dabei in der Zeitung über einen Dichterwettbewerb zu der Frage, ob der Fortschritt bei den Künsten und Wissenschaften zu einer erhöhten Moral führe. In diesem Moment beschloss er für sich, ein zurückgezogenes Leben zu führen.
Eine Steintafel an einem Baum, in dessen Laub und Geäst der Wind rauscht, zitiert Sätze des antiken Dichters Vergil (1. Jh. vor Chr.).
Eine steinerne Pyramide steht im Wald zwischen jungen Fichten und trägt die eingemeißelten Lebensdaten des deutschen Malers Caspar David Friedrich (1774–1840).
Ian Hamilton Finlay
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Grevenbroich, am Alten Schloß
