Bergschaden

„Das Ruhrgebiet ist eine Region, die trotz des Zechensterbens immer noch mit Kohle und Stahl in Verbindung gebracht wird. In den vergangenen Jahren sind immer mehr Gruben stillgelegt worden; dafür tauchen in den Städten des Reviers auf Plätzen und Straßen Seilscheiben, hübsch bepflanzte Loren und andere nutzlos gewordene Bergbaurelikte auf und die letzten noch nicht abgerissenen Zechengebäude werden zu musealen Schmuckkästchen hergerichtet.
Das ist ein untrügliches Zeichen dafür, dass der Kohleabbau aus dem traditionellen Bergbaugebiet nach Norden gewandert ist und folglich die ehemals harte Arbeit eine romantisch verklärte Sichtweise bekommt. Doch die längst beendete unterirdische Tätigkeit hat Spätfolgen. Nach der Auskohlung bricht das Deckgestein über den Strecken ein, und erst nach Jahren gerät dann die Erdoberfläche ins Wanken. Ganze Landstriche sinken ab, Flüsse und Kanäle müssen eingedeicht werden, um die Überflutung des Landes zu verhindern und viele der Gebäude bekommen Risse oder stehen in bedrohlicher Schräglage.
Auf diese Bergschäden nimmt die Arbeit für Lünen-Süd Bezug. Auf dem Pausenhof einer ehemaligen Schule in der Bahnstraße 31 habe ich eine „Architektur“ errichtet, die sich in ihrer Form und Gestaltung an die Gebäude der umliegenden Bergarbeitersiedlungen anlehnt.
Das geplante Haus scheint im Gegensatz zu den umliegenden Gebäuden – die von Bergschäden verschont blieben – scheinbar im festen Grund zu versinken. Durch die extreme Schräglage wird die Unbewohnbarkeit eines solchen Gebäudes veranschaulicht, die durch das Fehlen des Daches noch gesteigert wird: ein Schutz des Hauses ist in diesem Falle nicht mehr notwendig. Das Hausskelett kann als Symbol für die späten Rückwirkungen der Natur gegen die Menschheit gesehen werden, wenn sie sie rücksichtslos ausbeutet. Dieses von allen immer wieder verdrängte Phänomen möchte ich gegen die falsche Bergbauromantik stellen, die man im Ruhrgebiet an fast allen Orten praktiziert.“
(Text: Hannes Forster)

Weitere Informationen: www.kunst-und-kultur-luenen.de


Hannes Forster

1955
geboren in Tuttlingen; lebt in Jamlitz.
 
Studium an der Hochschule der Künste Berlin.

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Ort
Lünen
Lünen, Bahnstraße 31 (im Hof des Bergmannsmuseums)
Künstler
Hannes Forster
Jahr
1993
Maße
Giebelseite: Höhe 270 cm, Breite 360 cm
Material
Ziegelstein
Kunst im öffentlichen Raum NRW