Unter Zwang

Als abstraktes und subtil wirkendes Mahnmal sorgt die Skulptur Susanne Albrechts für die Erinnerung an eine gern verdrängte Epoche auf dem Bielefelder Johannisberg.

Während der NS-Zeit befand sich hier das Zwangsarbeitslager Bethlem, das größte derartige Lager der Stadt, das von den während dieser Zeit als Rüstungsunternehmen arbeitenden Dürkoppwerken betrieben wurde. Sogenannte Fremdarbeiter (Ostarbeiter*innen und Kriegsgefangene) mussten hier von circa 1942-44 unter harten Bedingungen leben und arbeiten.

Auch nach seiner Instandsetzung im Jahr 2008 wird der Johannisberg gern als „malerische Kuppe südwestlich der Bielefelder Altstadt“ und beliebtes Ausflugsziel beworben. Susanne Albrechts Mahnmal ist eine unübersehbare Stellungnahme gegen das Vergessen und fügt sich doch harmonisch in die Parkanlage ein. Es handelt sich um eine massive Betonplatte, deren Schwere von der unsichtbaren Anbringung ihrer Träger konterkariert wird, so dass sie schwebend erscheint. Fünf kreisrunde Aussparungen bieten gerade den Raum, durch den die speziell angepflanzten Apfeldornbäume wachsen. Der Apfeldorn weist mit zunehmendem Alter eine starke Verknorrung auf und unterscheidet sich damit auf besondere Weise von den zur gleichen Zeit angepflanzten Eichen, bildet mit ihnen aber dennoch eine Art Allee zwischen gepflasterten Wegen.

Die Skulptur ist in ihrer abstrakten Formensprache in der Lage, gleichzeitig vor den Zwangsmechanismen totalitärer Regierungen zu warnen und dennoch Hoffnung auf die Unbeugsamkeit des Lebens auszudrücken. Diese Interpretation wird dem Betrachter nicht aufgedrängt. Gut lässt sich die Skulptur einfach als Bühne oder Sitzbank nutzen, so dass sie zu einem selbstverständlichen Bestandteil der Gestaltung des Johannisberges geworden ist, so wie es die Erinnerung an seine Vergangenheit auch sein sollte.

Die Errichtung des Mahnmals wurde durch die Beteiligung vieler Bürger*innen und Institutionen der Stadt ermöglicht, die einen „Initiativkreis Skulptur ‚Unter Zwang‘ “ bildeten. Zusammen mit der Skulptur werden weitere Informationen über das Zwangsarbeitslager Bethlem gegeben: Das Bodendenkmal auf dem Platz zeigt den Grundriss einer Lagerbaracke aus Corten-Stahl. An der Skulptur wurde ein Info-Pult zum Lager Bethlem und zur Skulptur aufgestellt. Eine zusätzliche Tafel befindet sich im neuerrichteten Infopunkt der Stadt am Johannisberg. Ein Ende der 80er Jahre aufgestellter Gedenkstein gehört ebenfalls dem Gesamtensemble an. Zudem wurde im Jahr 2015 eine Ausstellung zu den NS-Zwangsarbeits-Lagern auf dem Johannisberg im angrenzenden Bauernhausmuseum gezeigt.

https://www.ausstellung-unter-zwang-bielefeld.de/

http://susanne-albrecht.info/unter-zwang/

Video zur Skulptur:

https://www.youtube.com/watch?v=mvbpE4qXJ0k


Susanne Albrecht

1960
geboren in Kaufbeuren, lebt und arbeitet seit 1995 in Herford.
1980-1986
Studium Kunst und Biologie an der Universität Bielefeld. Anschließend widmete sie sich für mehrere Jahre der Steinbildhauerei in Pietrasanta, Italien.
Seit 1990
Teilnahme an internationalen Bildhauersymposien; Arbeitsaufenthalte in Brasilien, Italien und der Türkei.
1999-2002
Wissenschaftliche Mitarbeiterin bei einem interdisziplinären Forschungsprojekt zu Arbeitsbedingungen Bildender Künstlerinnen im internationalen Vergleich (IFF Universität Bielefeld).
2000-2005
Lehre an den Universitäten Bielefeld (2000-2004) und Paderborn (2004) sowie am Oberstufenkolleg Bielefeld (2004 / 2005).
Seit 2006
kuratiert und organisiert sie den Projektraum Kiosk 24 in Herford (www.kiosk24.org).
2013-2015
Lehre an der Kunstakademie Münster.
Susanne Albrecht erhielt zahlreiche Stipendien und Kunstpreise. Sie zeigte Ihr Werk in Einzel- und Gruppenausstellungen seit 1990 (?). Außerdem schuf sie Werke für den öffentlichen Raum z.B. in Kassel, Herford und Hereke/Türkei.

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Ort
Bielefeld
Am Johannisberg, 33615 Bielefeld
Künstler
Susanne Albrecht
Jahr
2015
Maße
Länge 22,55 m, Breite 3,78 m, Höhe vom Boden aus 74,5 cm (ohne Bäume), Dicke der Betonplatte 35 cm
Material
Beton
Objektart
Denk-/ Mahnmale