Zwischen den Zeilen

Zwischen den Zeilen eines Textes befindet sich ein Leerraum, der, glaubt man dem Sprichwort, doch entscheidend für das Verständnis ist. Hier findet sich die eigentliche, die individuelle Botschaft, die anscheinend nonverbal kommuniziert wird und die jeder Leser für sich selbst zu entschlüsseln hat. So ist es nur folgerichtig, dass Timm Ulrichs, der sich unter anderem wiederholt mit (Schrift-)Zeichen und ihrer Bedeutung  befasst hat, diesem Phänomen eine Arbeit gewidmet hat.
Auf einer weißen Betonwand  befindet sich eine Bronzeplatte. Aus dieser sind am oberen Rand die unteren Hälften und am unteren Rand die oberen Segmente der Buchstaben „ZWISCHEN DEN ZEILEN“ ausgespart, so dass der Leerraum zwischen den Zeilen im Zentrum der Tafel steht. Die auf diese Weise ausgeschnitten Buchstaben, wie Drucklettern in Metall gegossen, liegen in einem ungeordneten Haufen auf der Bodenplatte des Objektes.
Es scheint, als seien die Buchstaben aus der Platte heraus auf den Boden gefallen. So stellen sie jetzt das Material dar, aus dem jeder Betrachter seinen eigenen, individuellen Text „zwischen den Zeilen“ formulieren kann. Schule und Stadtbücherei sind der ideale Aufstellungsort für einen solchen subtilen und skulpturalen Hinweis auf die verschiedenen Bedeutungsebenen eines Textes.


Timm Ulrichs

1940
geboren in Berlin; lebt und arbeitet in Hannover, Münster und Berlin.
seit 1959
Eigendefinition als „Totalkünstler“. Dieser Begriff meint nicht nur die Heterogenität und Variabilität des Gesamtwerks, sondern steht auch  als Formel für den gesamten und unabgeschlossenen Schaffensprozess, der Kunst und Leben umfasst. Im eigentlichen Sinne bezeichnet Ulrichs' Auffassung von „Totalkunst“ einen reflexiven ästhetischen Prozess, der geläufige Wahrnehmungsmuster und Weltsichten sensibilisiert und hinterfragt.
1959
gründete Ulrichs die „Werbezentrale für Totalkunst, Banalismus und Extemporismus“ in Hannover, die zur Verbreitung, Entwicklung und Produktion von Totalkunst dienen sollte. Weiterhin erklärte er sich 1961 zum „ersten lebenden Kunstwerk“ und organisierte 1966 eine öffentliche „Selbstausstellung“ in Frankfurt am Main.
1969–1970
Gastprofessor an der Staatlichen Hochschule für Bildende Künste in Braunschweig.
1970
fand seine erste Totalkunst-Retrospektive in Krefeld statt, sieben Jahre später war er Teilnehmer der Documenta 6 in Kassel. Große Einzelschauen fanden 1980 in Lüdenscheid, 1991 in Madrid und Recklinghausen, 2001 in Antwerpen (Skulptur) sowie 2002 in Hannover (Druckgrafik) statt.
1972–2005
Professor für Bildhauerei an der Kunstakademie Münster.
Quelle:

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Ort
Mülheim an der Ruhr
Mülheim an der Ruhr, Zugang zur Stadtteilbücherei und Gesamtschule, Oberhausener Straße 208
Künstler
Timm Ulrichs
Jahr
1988
Maße
ohne Angabe
Material
Beton, Bronze
Kunst im öffentlichen Raum NRW