Olympia-Hymne

Als kubischer Betonsarkophag tritt dem Uninformierten die Skulptur von Wolf Vostell entgegen. Erst tieferes Interesse ermöglicht das Verständnis der politischen und künstlerischen Zusammenhänge, was vom Kunstbetrachter aber auch gefordert werden darf: „Man muss sich lange damit beschäftigen. Ich verstehe auch nichts von Gehirnchirurgie“, sagte der Künstler.
Das Werk entstand im Jahr 1972, als Inge Baecker, Galeristin und langjährige Vertraute Vostells, die „1. Bochumer Kunstwoche“ organisierte. Wolf Vostell war, neben weiteren Künstlern wie Allan Kaprow oder Charlotte Moorman, mit einer Aktion zum Thema „Konsumgesellschaft“ vertreten. Er wählte die alte Ladentheke des Metzgers Herker aus Bochum-Wiemelhausen aus, um sie samt Registrierkasse, dem noch vorhandenen Restgeld und einigen Broten in Beton zu gießen.
Eine Bretterverschalung wurde errichtet und Beton hineingegossen, so dass die Grundform der Theke und der sich abzeichnende Kasse erhalten geblieben sind. Durch einige Risse im Beton sind die Gegenstände zu erahnen. Ergänzt wurde die Aktion durch die Ausstellung von Fotografien aus Bochumer Arbeiterwohnungen.
Dieses Werk nahm Stellung zu den später im Jahr stattfindenden Olympischen Sommerspielen und kritisierte sie als „Pseudo-Ereignis, das als Staatsreklame keine Rücksicht auf die arbeitenden Menschen nimmt.“ Weiter erläuterte der Künstler: „Bei den olympischen Spielen werden Millionen von Mark für unnützes Zeug und für eine miese Leistungs-Ideologie verpulvert. Was wir brauchen, sind keine Olympischen Spiele, sondern Aktionen, die den Menschen klarmachen, welche Frustrationen ihnen diese Leistungsgesellschaft aufzwingt.“ Seiner Meinung nach war „die Verbesserung des Lebens … die Olympiade – und nicht die Sekunde beim 100 m Lauf.“

Weitere Informationen: www.artibeau.de/0920.htm


Wolf Vostell

1932
geboren in Leverkusen; 1998 gestorben in Berlin.
1950–1953
Lehre als Fotolithograf.
1954–1955
Studium an der Werkkunstschule Wuppertal. Während eines Parisaufenthaltes entwickelt er das künstlerische Prinzip der Décollage.
1955–1957
Studium an der Ècole des Beaux-Arts, Paris.
1958
Studium an der Düsseldorfer Akademie, Reise nach Spanien. In Paris organisiert er seine „Dé-coll/age happenings“.
1960
Heirat mit der Spanierin Mercedes Guardado Olivenza.
1962
Vostell gründet mit anderen Künstlern die Gruppe FLUXUS.
1964
Ab Mitte der 60er Jahre nimmt Vostell in seinen Schichtenbildern Bezug auf aktuelle Themen in Gesellschaft und Politik.
1966
Für sein 14-tägiges Happening „Dogs and Chinese not allowed“ bezieht Vostell das gesamte U-Bahnnetz der Stadt New York mit ein.
1968
Teilnahme an der Biennale in Venedig.
1971
Umzug nach Berlin.
1974
Das Musée d'Art Moderne de la Ville de Paris widmet ihm eine erste umfassende Retrospektive. Die gekürzte Fassung wird ein Jahr später in der West-Berliner Nationalgalerie gezeigt.
1978
Teilnahme an der Documenta 6 in Kassel.
1981
Vostell läßt den FLUXUS-Zug über 15 Stationen durch Deutschland reisen.
1987
Aufstellung eines Beton-Cadillac-Denkmals auf dem West-Berliner Rathenau-Platz.
1992
Ernennung zum „Professor ehrenhalber“ durch das Land Berlin.
1998
Das Museo Vostell in dem spanischen Dorf Malpartida de Cáceres in der Provinz Extremadura wird postum eröffnet. Es zeigt Werke Vostells und anderer FLUXUS-Künstler.
Quellen:

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Ort
Bochum
Bochum, Kunstmuseum, Kortumstraße 147
Künstler
Wolf Vostell
Jahr
1972
Maße
Höhe ca. 1,20 m; Länge ca. 4 m; Breite ca. 1,17 m
Material
Ladentheke und Kasse eines Bochumer Fleischers, Waschbeton
Kunst im öffentlichen Raum NRW